Ab heute wird alles anders

Auf drei geht’s los.

Ich hab mich jetzt viel zu lange wie ein verkaterter Phönix in meiner eigenen Asche gewälzt. Ich hab meine Wiedergeburt vor mir hergeschoben wie ’nen Buggy am Sonntag im Prenzlauer Berg. Ich bin vor langer Zeit mal in mich gegangen und seitdem schweigsam da geblieben. Mein Winterschlaf geht schon über mehrere Winter, nächstes Jahr sind es schon sieben. Ich hab mich wie eine Perle in einer Auster versteckt, die noch nicht mal bei Google Maps „Orte“ zulässt. Versteckt wie ein Kind in einer Festung aus Decken und Kissen mit Schildern aus Floskeln und Witzen gerüstet.

Ich trage immer noch diese alte Maske als Schutz, darauf ist mein Gesicht von vorgestern gedruckt, und ich weiß doch, dass du sie so gerne anguckst.

Warum ich mich versteckt habe, fragst du?

Ich hatte Angst und ich habe sie noch. Ja, ich habe Angst. Davor, mich so zu zeigen, wie ich eigentlich schon längst geworden bin und davor, was du dann von mir denkst. Angst davor, dass du mich dann nicht mehr magst, nicht verstehst und nicht erkennst. Denn du kannst mich nicht ablehnen, solange du mein wahres Gesicht nicht siehst. Aber du kannst mich auch nicht mögen, geschweige denn lieben.

Ich hab lange gebraucht, um das echt zu begreifen. Ich brauchte Ausdauer, Ruhe und ausreichend Abstand für neue Blickwinkel wie zum Beispiel beim Handstand. Um wieder an mich zu glauben, war es wichtig zu zweifeln.

Eins.

Ich glaube nicht, dass ich je ohne Angst sein werde oder dass das irgend jemand ist. Aber darauf zu hören und mich selbst aufzuhalten, ist keine echte Option mehr für mich. Ich habe nichts mehr zu verbergen, nicht vor mir, nicht vor dir. Ab heute geht’s los, dieser Tag ist goldrichtig dafür. Mich selbst zu verstecken, ist wie mein Leben verschenken, ist wie mein eigenes Schiff nicht nach vorne zu lenken.

Zwei.

Ich schüttle meine Asche ab wie ein Hund das nasse Wasser. Ich wecke mich aus dem Winterschlaf, ich war niemals vorher wacher. Ich steche Luftlöcher in meinen Kissenkokon und lasse frischen Wind herein. Ich werfe alte Schilder weg, ich werde trotzdem sicher sein. Ich durchtrete meinen Tellerrand wie alte, verstaubte Kulissen. Ich trete an den Horizont ran, wie an tauende, reißende Flüsse und sehe, dass ich keine Scheibe bin, sondern rund und ganz, wie eine Discokugel dreh ich mich jetzt, und ich bitte mich selber zum Tanz.

Ab heute wird alles anders. Neustart, Stunde Null, erster Tag vom Rest meines Lebens. Ich weiß, das hab ich schon oft gesagt. Aber diesmal ist es wirklich so.

Meine alte Maske setze ich ab, das hier ist mein echtes Gesicht. Über so viele Winter will ich nie wieder warten, ich spiel‘ jetzt Verstecken mit offenen Karten, darauf bin ich stolz und ich fürchte mich nicht. Es war schon längst Zeit aus mir rauszukommen, ich war hier viel zu lange drin. Aber jetzt bin ich zurück, jetzt siehst du, wie ich längst schon bin.

Drei.

 

(Von: Julia Engelmann)

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